Nicolas Winding Refns neuestes Werk nach “Drive” und “Only God Forgives“ gibt sich vom Namen her offensichtlich: Der Meister greller Leuchtstoffröhren beschäftigt sich dieses Mal eingehend mit der Modeindustrie und ihren Fallstricken. Dabei kriegen Fotografen, Agenturen, Models und Visagistinnen auf bitterböse Art ihr Fett weg.
Die minderjährige Jesse (Elle Fanning) kommt vom Kaff in die große Stadt und erlebt unter Beihilfe von Maskenbildnerin Ruby (Jena Malone) ihren Durchbruch in der Modelwelt von Los Angeles.
Bei ihrem meteorhaften Aufstieg lassen Neid und Missgunst nicht lange auf sich warten: Die plastisch-aufbereiteten Gigi und Sarah (Bella Heathcote & Abbey Lee) sehen in Jesse eine Bedrohung, da sich die beiden Models altersbedingt am Ende ihres Berufszyklus befinden und sich nachvollziehbarerweise nicht durch eine blutjunge Anfängerin ersetzt sehen wollen. Berechnend freunden sie sich mit Jesse an.
Doch Jesse ist nicht der zaghafte Unschuldsengel, den alle in ihr sehen: Der Erfolg lässt sie übermütig und arrogant werden. Sie stellt ihre engsten Vertrauten bloß, um bekannten Fotografen und Künstler zu gefallen. Das funktioniert soweit, jedoch heißt es bekanntlich „Hochmut kommt vor dem Fall“. Ihre vorgeblichen Freundinnen können das natürlich nicht so stehen lassen und versuchen dem Ganzen ein blutiges Ende zu bereiten.
Soviel zum parabelhaften Plot, der in einer dichten Atmosphäre verpackt serviert wird: Der Regisseur erzählt das moderne Märchen mit in Neonlicht getränkten Bildern, geometrischen Formen und pulsierenden Synthesizer-Soundtrack. Kurz gesagt: Jegliche Erwartungen, die man von diesem Film haben kann, werden erfüllt. Lobenswert ist dabei, dass die Konkurrenz zwischen den Frauen nicht in einer belanglos-ätzenden Zickerei auf verbaler Ebene präsentiert wird, sondern anhand der düsteren Bildsprache und bösen Blicke eine gewisse Bedeutungsschwere erlangt.
Umso mehr macht es Spaß, dem dänischstämmigen Winding Refn dabei zuzusehen, wie er die südkalifornischen Stereotypen über Mode- und Medienmenschen gegeneinander ausspielt und zerpflückt – die extrem schönen und häßlichen Seiten der oberflächlichen Industrie liegen zumindest in diesem Filmen sehr nahe beieinander. Dass seine Erfahrung mit Hollywood hier widergespiegelt wird, ist offenkundig.
Erfrischend ist der Subplot mit Keanu Reeves, der den Motelbesitzer Hank spielt. Man ist sich unschlüssig, ob er als Türhüter für jugendliche Ausreißerinnen wie Jesse eine moralische Instanz darstellt oder vielmehr der böse, böse Wolf ist. Es ist einfach eine Freude, Reeves nach „John Wick“ noch einmal in einer räudigen Rolle zu sehen (Pic unrelated, heh).
Nicolas Winding Refns aktuellster Augenschmaus „The Neon Demon“ wird ab dem 23. Juni in deutschen Kinos zu sehen sein. Freunde gehobener Unterhaltung sind dazu angehalten, sich das Spektakel anzuschauen.