Serienempfehlungen 2015 | Mr. Robot | Narcos | Rick and Morty

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Spätestens seit dem Breaking Bad-Finale im letzten Jahr sollte klar sein: Das US-amerikanische Fernsehen befindet sich in einem goldenen Zeitalter. TV-Serien, deren Produktionsqualität kaum noch der von Hollywood-Filmen zu unterscheiden ist, erfreuen sich an einer immer größer werdenden Zuschauerschaft – Der Erfolg von Sendern und Streaming-Services wie AMC und Netflix zeigen das sichtbar. Grund dafür ist unter anderem, dass innerhalb von dutzenden Folgen und Stunden Geschichten mit mehr Tiefgang und Details erzählt werden können als in 90-120 Filmminuten. Protagonisten und Antagonisten müssen nun nicht mehr gängigen Klischees entsprechen und Story-Twists nicht überholten Tropes nachkommen um einer zuschauerfreundlichen Mythologie gerecht zu werden. Stattdessen werden Motivationen, Ängste und Komplexe mit genügend Screentime unterfüttert und erklärt. Umso wirksamer sind dann storymäßige Auflösungen, Payoffs und die Katharsis, oder eben auch die komplette Umkehrung von Zuschauererwartungen durch rote Heringe und dergleichen. Damit Ihr auch ja keine Sekunde eurer wertvollen Zeit an minderwertige Serien verschwendet, stelle ich an dieser Stelle die großartigsten Neuzugänge des bisherigen Jahres 2015 vor.

Mr Robot

Mr. Robot | USA Network

Elliot Alderson ist tagsüber Mitarbeiter bei einer Firma für Internet-Sicherheit und Nachts rächender Hacker. Was sich zunächst nach Hardcore-Vor-dem-PC-Sitzen anhört, entwickelt sich in dem Moment, in dem der Protagonist den Cyber-Revoluzzer Mr. Robot kennenlernt, zu einem packenden und zeitgemäßen Psycho-Thriller. Elliot wird nämlich von seinem neuen Freund dazu angehalten, dem Hacker-Kollektiv FSociety (Vgl. Anonymous) beizutreten. Dessen Mitglieder sehen sich als Kapitalismusgegner und wollen die Machtstrukturen der Banken und Großkonzerne zum Einsturz bringen. Das soll durch das Zerstören / Verschlüsseln jeglicher Aufzeichnungen über Kreditkonten und Schulden geschehen.

Klingt verdächtig nach Fight Club? Absolut kein Zufall. Die Serie bedient sich an Chuck Palahniuks Buch und generell an David Finchers Filmen – sowohl stilistisch als auch musikalisch. Der Soundtrack ist minimalistisch-treibend  und unterstützt die paranoide Stimmung gegenüber der Allgegenwärtigkeit von Computertechnologie und deren Überwachung. Lobenswerterweise wird hierbei auf hollywoodartige Darstellung von Computerviren mit aufblinkenden Smilies verzichtet und stattdessen knallhart auf realistisches Kommandozeilen-Hacking und Black Hat-Methoden gesetzt.

Weiterhin zählen Filme wie American Psycho, Erin Brockovich und Eyes Wide Shut zu den spürbarsten Einflüsse von Mr. Robot. Wer sich jetzt fragt, wie das alles zusammenpasst, der sollte sich einfach mal die Pilot-Folge gönnen. Danach verfallt ihr zweifelsohne den bisher zehn Folgen, da die Serie  von der ersten bis zur vorerst letzten Minute fesselnd und nervenzerfetzend inszeniert ist. Storywendungen sind kaum vorhersehbar; gleichzeitig ist jedes noch so kleine Detail irgendwie von Bedeutung. Ich wage es zu behaupten, dass Mr. Robot in dieser Hinsicht jetzt schon besser als Breaking Bads frühe Staffeln ist. Anlass dafür ist sicherlich, dass Autor Sam Esmail das Drehbuch ursprünglich für einen Feature Film verfasste und somit verhältnisweise früh wusste, wohin die Reise endgültig geht. Hierbei sollen die bisherigen Episoden gerade mal dem ersten Akt der Story entsprechen. Es bleibt also spannend.

Gerne würde ich jetzt behaupten, dass es sich hier um einen Geheimtipp handelt. “Leider” teilen  Rotten Tomatoes (98%) und IMDB (9,1/10) aber mittlerweile meine Meinung. Ganz dem Lob entsprechend wurde die zweite Staffel bereits vom Sender bestellt und soll im Frühjahr nächsten Jahres ausgestrahlt werden.

Narcos

Narcos | Netflix

In dieser originalen Netflix-Produktion wird der Aufstieg und Fall des berüchtigten Kokain-Königs Pablo Escobar nacherzählt. Zeitgleich wird das Ganze von den Ermittlungen seines letztendlichen Vollstreckers DEA-Agenten Steve Murphy begleitet. Erst mal so richtig schön gespoilt, oder? Im Gegenteil. Hämische Stimmen behaupten, dass man statt der Serie auch einfach den Wikipedia-Artikel zu Escobar lesen könnte. Schließlich unterbrechen Murphys Erzählstimme und zahlreiche Archivfotos, ähnlich wie in einem Dokumentarfilm, immer mal wieder die filmische Inszenierung der Geschehnisse.

Umso erfreulicher wurde das Schauspiel ganz authentisch in Spanisch gehalten (TIL: In Kolumbien spricht man Spanisch). Das heißt dann für die Zuschauer, die der kastilischen Sprache nicht mächtig sind, richtig viel Untertitel lesen (Rund 95% aller Dialoge). Das ist selbstverständlich nicht jedermanns Bier. Ich konnte mich aber damit anfreunden und bin froh, dass Netflix durch seine Einnahmen die Möglichkeit besitzt, so etwas Nischenhaftiges zu realisieren. Außerdem muss man zugeben, dass z.B. Tarantinos Inglourious Basterds ebenfalls mit vielen Untertiteln und Sprachen erfolgreich war. Die Serie findet also sicherlich, vor allem aufgrund der interessanten Thematik und großartigen Inszenierung, ihr Publikum. Eine zweite Staffel ist bereits angekündigt.

Rick and Morty

Rick and Morty | Adult Swim

Der geisteskranke Wissenschaftler und Zyniker Rick nötigt seinen Enkel Morty dazu, ihn bei hirnrissigen, interdimensionalen Eskapaden zu begleiten. Beispiel gefällig? Durch ein fehlgeschlagenes Experiment lösen die beiden eine weltweite Epidemie aus, bei der Menschen zu einer Kreuzung von Mantis und klumpigen Krebsgeschwür mutieren. Statt das Problem zu lösen, reisen sie in ein gesundes Paralleluniversum, töten ihre dortigen Gegenstücke und nehmen ihren Platz ein als ob nichts wäre. Der Grund dafür? Faulheit oder Pragmatismus oder…das ist im Endeffekt gar nicht so wichtig.

Rick and Morty ist die neueste Produktion von Dan Harmon, dem Kopf hinter der Kult-Serie Community. Mittlerweile hält Harmon aber nichts mehr von rigiden Erzählstrukturen mit belohnenden Enden, da die Zuschauerschafft damit übersättigt sei. Stattdessen setzt er auf unberechenbares Erzähltempo und die Improvisationskunst seiner Sprecher. Gastauftritte haben dabei unter anderem John Oliver, Keith David und Stephen Colbert.
Ganz ähnlich wie Community setzt sich R&M mit Meta-Konzepten und “Was wäre wenn…”-Szenarien auseinander. Dabei ist man dieses Mal thematisch vor allem im Science Fiction-Bereich zuhause. Schnell erkennt man, dass es sich bei den Charakteren um eine Verballhornung der Zurück in die Zukunft Protagonisten DocBrown und Marty McFly handelt. Aber auch andere Produkte aus dem Genre bekommen ihr Fett weg: Rick benutzt eine Inception-Apparatur um Mortys Lehrer davon zu überzeugen, seinem Schüler nur noch gute Noten zu verpassen; damit Morty ja keine Zeit mehr mit Bildung verschwendet und immer für seinen vulgären und  unentwegt rülpsenden Großvater da sein kann. Ein anderes Mal kommt Morty nicht drumherum, sich ganz in Captain Kirk-Manier mit den Weibchen einer außerirdischen Spezies zu paaren. Das Ergebnis ist verstörend.

Unter der Absurdität der einzelnen Folgen versteckt sich aber eine dezente Haupthandlung mit Charakterentwicklung. Dabei wird die Stimmung mitunter auch mal richtig melancholisch und düster, wenn die wahnwitzige Naivität der Protagonisten sich mit der Ernsthaftigkeit ihrer Beziehung und gestörten Persönlichkeiten abwechselt. Die Ähnlichkeiten zu dem ebenfalls großartigen Adventure Time sind also nicht von der Hand zu weisen. Außerdem werden immer wieder ethische und philosophische Fragestellungen aufgeworfen, da Rick and Morty im Kern eben immer noch eine SciFi-Sendung bleibt – Der erzählerische Rahmen wird in dem Genre oft genutzt, um vorliegende Probleme in einem anderem Bezugssystem betrachten und bewerten zu können.

Die extrem lustige und gleichzeitig smarte Sendung läuft zurzeit in der zweiten Staffel auf Adult Swim. Anschauen ist Pflicht. Da reicht reines Empfehlen nicht mehr. Ich wünsche viel Spaß, ja.

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