Straight Outta Compton (Film-Review)

NWA Poster

“Hip-Hop is CNN for Black People”

Als einer der prägendsten Hip-Hop-Gruppierungen der Achtziger und Neunziger wurden N.W.A. mit Titeln wie „Fuck tha Police“ und „Straight Outta Compton“ bekannt. Während die Inhalte der Songs ihrer Zeit von Politikern und Presse als pure Provokation und aufrührerische Stimmungsmache tituliert wurden, sahen die verantwortlichen Interpreten sich als Sprachrohr für die ungehörte und unterdrückte afroamerikanische Jugend. Dass es sich dabei keinesfalls um Image-Rap handelte, zeigen die Umstände, unter denen Niggaz Wit Attitudes gegründet wurde: Inmitten eines von Banden-Kriminalität zerrütteten Los Angeles finden sich Rapper Ice Cube (gespielt von seinem eigenem Sohn O’Shea Jr.), DJ Andre aka. Dr. Dre (Corey Hawkins) und Drogendealer Eazy-E (Jason Mitchell) zusammen, um ihre lebensfeindlichen Erfahrungen im Tonstudio unüberhörbar widerzuspiegeln. Dieser Geschichte nimmt sich der „Straight Outta Compton“-betitelte Film von Regisseur F. Gary Gray an, welchen wir bereits sehen durften.

Wider Erwartung hat Straight Outta Compton es geschafft, eine kohärente und spannende Geschichte zu erzählen. Denn ganz wie das echte Leben neigen autobiographische Filme oftmals dazu, Handlungsstränge ins Leere laufen zu lassen oder die Chronologie einer Lebensgeschichte ohne Rücksicht auf Sehgewohnheiten wiederzugeben (Beispiel: Der gute aber mit einem befremdlichen Pacing erzählte Wolf of Wallstreet von Martin Scorsese, 2013). Das ist hier glücklicherweise nicht der Fall: Regisseur Gray hat es geschafft, die Gründung, internen & externen Beef und allmähliche Aufspaltungen von N.W.A. packend und kohärent aufzubereiten. Maßgeblich dafür ist die würdige Darstellung der individuellen Künstler mit ihren Eigenheiten: Der kleingewachsene Eazy-E sieht sich als Frontmann und geschäftsführender Kopf der Bande; Lyriker Ice Cube textet sich mit aufgeheizten Gemüt um Kopf und Kragen, und Dr. Dre versucht als Produzent, DJ und ruhender Pol aus dem Hintergrund zu agieren. Weiterhin sind die Mitglieder DJ Yella (Neil Brown, Jr.) und MC Ren (Aldis Hodge) nicht zu vergessen. Gemeinsam stehen die jungen Männer diverse Schicksalsschläge durch, welche die Gruppe und das gesamte Genre langfristig prägen sollten. Da bleibt einem selbst als Hip-Hop-Head bei der ein oder anderen Szene der Klos im Hals stecken. Das schafft Straight Outta Compton, ohne dabei eine Sekunde rührselig oder cheesy zu wirken.

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Besonders eindrucksvoll ist, dass die Besetzung den von ihnen dargestellten Personen extrem ähnlich sieht und stimmlich auch nach ihnen klingt. Dass der Ton bei dieser Story natürlich die Musik macht, liegt auf der Hand. Der Soundtrack besteht aus Perlen der N.W.A.- Diskographie und R&B-Klassikern der Ära. Die nachgestellten Live-Darbietungen von Klassikern wie „Dopeman“ und Eazy-Es „Boys N’ Tha Hood“ sind besonders gelungen: Sowohl die Musiker als auch das Konzert-Publikum erzeugen eine solch immersive Atmosphäre, dass man selbst als Kinogänger glaubt vor der Bühne zu stehen. Auch lobenswert sind die „Gast-Auftritte“ von Snoop Dogg und Tupac, welche ebenso glaubhaft von jüngeren Darstellern verkörpert werden. Man bekommt das Gefühl, Zeuge der Studiosessions von „Nuthin’ But A G-Thang“ und „California Love“ zu werden.

Straight Outta Compton baut aber nicht ausschließlich auf Personenkult auf. Die Stadt Los Angeles ist mit ihren Unruhen, rassistischen Polizisten und Bandenkriegen fast schon ein eigener Charakter. Zwar schaffen die Protagonisten es aus dem Ghetto ins Villenviertel – der südkalifornischen Hitze und der täglichen Gewalt entkommen sie trotzdem nicht.

Leider ist der Film mit 150-Minuten aber selbst für den geneigten Zuschauer etwas zu lange geraten. Da macht sich dann mal eben doch eine typische Biopic-Krankheit spürbar: Die nicht endende Aneinanderreihung von Auf und Abs; von Erfolgen und Rückschlägen. So sympathisch der Streifen mit seinen Protagonisten auch ist, so sehr macht ihn seine zehrende Dramaturgie zu einem Sehvergnügen, dass man nicht mehr als ein Mal genießen kann. Auch bekommt man im Epilog, in dem Dr. Dres jüngere Erfolge (u.a. Beats by Dre-Kopfhörer-Deall mit Apple) aufgezählt werden, den unweigerlichen Eindruck, dass der Film als Visitenkarte und Werbemaßnahme für die Involvierten dienen soll. Das ist ein unheimlich unnötiger Schnitzer für einen Film, der sonst durch seine Nahbarkeit und Finesse punktet.

Fazit: Straight Outta Compton ist trotz seiner Längen bisher einer der interessanteren und eindrucksvolleren Filme des Jahres 2015 und bietet eine willkommene Abwechslung zu unseren heißgeliebten SciFi- und Comic-Franchises. Zwischen Brüderlichkeit, Race Relations und einer Menge Kohle müssen sich N.W.A.-Mitglieder letztendlich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen. So viel Tiefgang erwartete man normalerweise nicht von einem Film, der potentiell ein fader Cashgrab via Namensbekanntheit der Hip-Hop-Legenden hätte werden können. In diesem Fall ist die Inszenierung von NWAs Geschichte aber ein Muss für Old-School-Fans, der ab dem 27. August in den deutschen Kinos läuft.

Bewertung: kleinkleinkleinkleinkleinkleinkleinklein klein_grauklein_grau 8 von 10

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