Erst MTV Home, dann Neo Paradise und jetzt also Circus HalliGalli. Das Erfolgsduo Winterscheidt/Heufer-Umlauf ist vollkommen im Mainstream-Programm angekommen. Nach dem Wechsel von ZDF Neo zu ProSieben lief heute die erste Folge ihres neuen “alten” Formats.
Willkommen bei ProSieben!
Zum Start gab es eine Hommage an die berühmte “Clockwork Orange”-Szene in der die beiden Moderatoren gezwungen wurden die typischen ProSieben-Formate anzusehen. Dass der Arbeitgeber nicht so neu ist, wurde im Medientrubel um die Sendung gerne unter den Tisch gekehrt und so tauchten zwischen “taff”-Einblendungen und “Galileo”-Clip auch ihre bisherigen Formate “17 Meter” und “Die Rechnung geht auf uns” auf. Selbstironie gehört seit jeher zu den Stärken des Duos.
Weiter ging es mit der Begrüßung im neuen und größeren Studio. Herrschte in der Vorgängerformaten bisher Wohnzimmer-Feeling, ist das Ambiente jetzt im 30er Jahre-Look gehalten. Für Zuschauer der ersten Stunde im ersten Moment ungewohnt. Doch das änderte sich in dem Moment, als die liebevoll kratzbürstige Oma Viloetta einer ihrer Schimpftiraden los lies.
Außerdem noch nennenswert: Die neue Intro-Musik und der Platztausch der Moderatoren. Jokos Couch ist nun rechts platziert, Klaas’ Schreibtisch steht auf der linken Seite.
Der Erfolg des lustigsten Blödel-Paares seit “Schmidteinander” ist vor allem auf deren ewigen internen Wettstreit zurückzuführen. Der erste Einspieler zeigte “Die Ja-Sager” am Rosenmontag gemeinsam durch Köln streifen. Verkleidet als Harry Potter (Klaas) und Vokuhila-Assi (Joko) zogen sie durch das Karnevalsvolk. Wichtige und einzige Regel: Jede Frage muss von den beiden mit JA beantwortet werden. Alt bekanntes, aber durchaus mit Potential. Schließlich soll in kommende Woche der zweite Teil der “Ja-Sager” folgen.
Bei den Gästen ging man ebenfalls auf Nummer sicher, was aber keinesfalls negativ gemeint ist. Die Klamauk-Legende Helge Schneider glänzte wie gewohnt, in der Telefonzelle (früher Schrank) durfte Senkrechtstarter Cro sein Liedgut zum Besten geben und als Musik-Gast am Ende interpretierte Sido seinen aktuellen Song “Bilder im Kopf”. Es bleibt zu erwarten, ob ein solches Gäste-Niveau gehalten werden kann. Eine richtige Interview-Situation fehlte zudem noch.
Den Knaller des Abends landete aber weder Joko noch Klaas, sondern der heimliche Star der Sendung. Liedermacher und Entertainer Olli Schulz knüpfte da an, wo er bei ZDF neo aufgehört hatte. Sein trinkfestes Schriftsteller-Alter Ego “Charles Schulzkowski” wurde auf die Berlinale losgelassen.
Charles Schulzkowski terrorisiert die Medienwelt
Schulz hat wirklich einen Arsch und ein paar Eier in der Hose! Nur mit einem Mikro und einer Flasche “Lütten” bewaffnet ging er auf deutsche Filmstars los. Hier zeigte sich, wie sympathisch und locker Matthias Schweighöfer ist. Auch Moderator Jörg Thadeusz gab sich alle Mühe die Form zu bewahren, selbst als Schulz ihm eine Hand voll geklauter Gabeln unterjubeln wollte. Eigentore schossen sich die Herren Schweiger und Ochsenknecht. Von echten Profis erwartet man dann doch ein bisschen mehr Leichtigkeit.
Bereits Neo Paradise wäre ohne Olli Schulz nur halb so lustig gewesen und jetzt im HalliGalli-Cirkus wird dies wohl nicht anders laufen. Der Mann ist und bleibt ein Phänomen.
Blass blieb dagegen Sidekick Palina Rojinski. Sie durfte lediglich Rapper Sido ansagen und verschwand dann wieder.
Nicht viel länger aber um einiges einprägsamer war hingegen der wortlose Auftritt von Oliver Pocher. In einer weitern Film-Anspielung musste Pocher draußen vor der Studiotür warten. wie einst Meat Loaf in “Fight Club”. “Du bist zu klein” und “Wir haben schon einen Olli”, durfte sich das adipöse Ex-Talent ins Gesicht sagen lassen, ohne dabei die Miene zu verziehen.
Während des “Gesprächs” mit Helge Schneider folgte die nächste Überraschung: Internet-Star Fritz durfte seinen Hit “Thüringer Klöße” trällern und wurde dabei von einem Halbwüchsigen durch das Studio gezogen. Angeblich waren weder Joko noch Klaas eingeweiht.
Als dann auch noch “Wetten dass..?”-Veteran Wolfgang Lippert aus dem Nichts erschien und den beiden gut zuredete (“Hey Jungs, ich habe da ein super Gefühl!”), waren die ersten 50 Minuten HalliGalli auch schon vorbei.
Es bleibt festzuhalten: Circus HalliGalli konnte das Niveau von ZDF neo zum Privatsender ohne große Verluste mitnehmen. Man merkte den Verantwortlichen an, dass sie in der Premieren-Sendung wirklich alles richtig machen wollten. Und das gelang ihnen auch. So kam kaum Langeweile auf, Ensemble sowie (Überraschungs-)Gäste überzeugten und es gab kaum eine Verschnaufpause. Auch die neue Werbeunterbrechung störte wenig. Winterscheidt und Heufer-Umlauf sollten einfach mit ihrem altbewährten Rezept festhalten und vor allem Oliver Schulz muss weiterhin fest in die Sendung integriert sein wie bisher. Wenn am heutigen Dienstag über die Sendung gesprochen wird, dann sicher über Schulzkowski. Vermutlich soll nun alles etwas größer werden als zuvor beim öffentlich-rechtlichen Spartenkanal. Doch dabei sollte am bisherigen Erfolgsrezept festgehalten werden. Sympathisch ist vor allem der Trend der Sendung, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Diese weltmännische Haltung erinnert beinahe an Vorbildformate aus den USA. Auch die Meinungen auf Twitter schienen größtenteils positiv auszufallen. Selbstverständlich bleibt noch Luft nach Oben und auch die Quoten müssen erst einmal abgewartet werden. Natürlich wird man wieder lesen können, wie niveaulos das Ganze doch ist. Welche Peinlichkeiten man hier doch vorgesetzt bekäme. Doch machen es sich die Kritiker meist ein wenig einfach; denn neben Schuljungen-Humor und der gewohnten Effekthascherei ist die Sendung genau wie deren Vorgänger vor allem eins: Ein großer Spaß! Ich werde aber auf alle Fälle wieder einschalten!
Eine Aufzeichnung, Clips und alles andere gibt es hier.